Japan hat eine lange und facettenreiche Geschichte in Bezug auf die Nutzung von Atomkraft, die aktuell in den Köpfen vieler mit den traumatischen Ereignissen von Fukushima im Jahr 2011 verbunden ist. Dieser schwerwiegende Reaktorunfall erschütterte nicht nur die Welt, sondern löste auch eine nationale Debatte über die Sicherheit der Atomkraft und die Abhängigkeit von dieser Energiequelle aus.
Neben der Debatte der Atomkraft ist Japan das einzige Land, welches mit den Folgen von Atombombenabwürfen zu kämpfen hat. Politische Entscheidungen in Bezug auf atomare Technologien beruhen auf dem Erbe des Überlebens und des Widerstandes gegen die Zerstörungskraft von Nuklearwaffen. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg gab es Proteste gegen die Nutzung von Atombomben, welche vom japanischen Parlament in den drei nicht-nuklearen Prinzipien festgehalten wurde: Japan soll keine Nuklearwaffen herstellen, besitzen und einführen.
Gegen Ende der 1960er Jahre bildete sich eine wachsende Opposition in der japanischen Bevölkerung gegen die Pläne der USA, weiterhin Nuklearwaffen auf Okinawa lagern zu wollen. Die japanischen Regierung ratifizierte daraufhin den Atomwaffensperrvertrag im Austausch gegen die Rückgabe eines atomwaffenfreien Okinawas, doch bis heute erhielt dieser Gedanke keine gesetzliche Verankerung, da befürchtet wurde, dass Japans Verteidungsfähigkeit zu sehr geschwächt sei im Falle des Wegfalls des us-amerikanischen Verbündeten. Der Premierminister Eisaku Satō, der diese Prinzipien erkämpfte, erhielt 1974 dafür einen Friedensnobelpreis. Bis heute wird an den Prinzipien festgehalten.
Die Ablehnung von Atomwaffen ist für die Bevölkerung Japans deutlich stärker ausgeprägt als die der Atomenergie – erst nach dem Unfall in Tschernobyl und später in Fukushima verändert sich die öffentliche Meinung langsam. Diese Unterscheidung zeigt sich auch in der japanischen Sprache: spricht die Regierung von “haku heki”, so ist damit das negativ belegte Wort “nuklear” im Zusammenhang mit Waffen gemeint. Ist die Rede von nuklearer Energie, so wird von “genshi ryoku” gesprochen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass beide Technologien fern voneinander sind. Auch durch Populärkultur wird ein gegensätzliches Bewusstsein geschaffen – so erfreut sich der “Astro Boy” großer Beliebtheit, eine Comicfigur, die durch einen Nuklearreaktor im Bauch zu Höchstleistungen bereit ist.
Neben den Gründen, weshalb sich in der westlichen Welt eine Anti-Atom-Bewegung gegründet hat, spielen auch geografische Merkmale Japans eine wichtige Rolle im Kampf gegen atomare Gefahren: das Land liegt in einer Region, in der vier große tektonische Platten gegeneinander drängen – 20 Prozent aller weltweiten Erdbeben finden hier statt. Der Regierung war dies immer bewusst, deshalb wurden Meiler in dünn besiedelten Gebieten geplant. Widerstand von kleinen Gemeinden, die in diesen auserwählten Regionen liegen, wurden mit staatlicher Polizeigewalt begegnet.
Aktivismus gegen atomare Technologien begrenzt sich in Japan also eher auf den Stopp des Baus und Ausbaues von Atommeilern, doch dieser wird sowohl von der Regierung als von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt. Mit Argumenten wie CO2-freier und günstiger Stromerzeugung versucht die Regierung, diesen Protest zu unterbinden. Doch Japan hat großes Potential, den Markt auf grüne Stromerzeugung umzustellen und eine Vorreiterrolle in zukünftiger Stromgewinnung einzunehmen. Gerade als Ort des Gedenkens und der Erinnerung an das schreckliche Ausmaß atomarer Technologien ist Japan ein Beispiel dafür, welche Risiken und Konsequenzen dieser Fortschritt mit sich gebracht hat.